Was getan werden muss, damit wir die Grenzen des Wachstums begreifen
„Die meisten Menschen haben keine Ahnung, was Wachstum als abstraktes Konzept bedeutet. Sie wollen konkrete Dinge: ein größeres Haus, ein besseres Auto, mehr Einkommen. Bislang geht die Öffentlichkeit davon aus, dass anhaltendes Wachstum mehr materielle Güter für jeden Einzelnen bringen wird. Das wird sich aber drastisch ändern.“
– D. L. Meadows
Grenzenloses Wachstum wird nicht nur nicht immer mehr materielle Güter bringen – Wachstum ohne Grenzen wird in Zukunft reichlich Material zerstören.
Die Wahrnehmung von Wachstum durch die Öffentlichkeit wird sich ändern müssen, uns bleibt keine Wahl, wenn wir nicht von den Folgen des Klimawandels vernichtet werden wollen. Denn was ist der Klimawandel anderes als ein Symptom, ein Signal dafür, dass wir uns im dunkelroten Bereich hinter der Grenze bewegen?
Zu lange gab es kein Bewusstsein dafür, dass unsere Wirtschaft ihre Kraft letztlich aus den naturgegebenen Ressourcen zieht, aus den Rohstoffen, die die Erde natürlicherweise hat.
Schließlich funktioniert der Markt ja nur aus diesem Grund: weil produziert wird.
Die Produktion von Gütern erfordert aber den Verbrauch von Ressourcen und meistens auch die Belastung oder gar die Zerstörung eines Teils des Ökosystems.
Im Umkehrschluss heißt das, dass die Wirtschaft nur dann immer und immer weiter wachsen kann, wenn wir immer und immer mehr Ressourcen und Ökosystem dem Wachstum opfern.
Anders als unser Verlangen nach mehr, sind die Rohstoffquellen und die Belastbarkeit der Erde aber begrenzt. Denn in unserem Lebensraum baut alles aufeinander auf, die beeindruckendsten Wechselbeziehungen, ob von Molekül zu Molekül oder von Gesteinsplatte zu Gesteinsplatte, haben sich innerhalb von Jahrmillionen zu dem entwickelt, was sie heute sind. Das macht unseren kleinen Planeten wunderbar und wunderschön, aber eben auch fragil. Jedes Ding, das wir diesem Beziehungsgeflecht auf welche Weise auch immer entziehen, fehlt. Und die große Gefahr ist, dass irgendwann zu viel fehlt und das Ökosystem zusammenbricht. Würde das geschehen, wäre unser Lebensraum zerstört – die Folgen eines Zusammenbruchs dieses komplexen Systems sind heute kaum abzusehen. Jedenfalls aber bedeutet Klimawandel nichts anderes, als dass ein entscheidender abiotischer Faktor – die Temperatur – überall dabei ist, sich drastisch zu verändern.
Wir sind also schon gut dabei, das Beziehungsgeflecht, das unser Überleben sichert, zu zerstören, der schon stattfindende Klimawandel zeigt das und nicht anderes. Er ist keine Zukunftsmusik mehr. Und das haben wir verschuldet, indem wir die Erde jahrelang zugunsten des wirtschaftlichen Wachstums ausgebeutet haben.
Wie soeben dargelegt, haben wir die Grenzen des Wachstums schon überschritten – der Club of Rome hat 1972 das erste Mal und seit dem noch viele Male auf den Wahnsinn aufmerksam gemacht, dass wir ohne Rücksicht zerstören, wovon wir leben.
Man sollte meinen, solch drastische Aussagen wären mächtig genug, einen Wandel auszulösen, denn wer sich die Zahlen ansieht, erkennt die akute Gefahr, die schon meine Generation bedroht.
Man sollte meinen, wer Erwachsenen erzählt „Deine Kinder werden darunter leiden – es ist die Frage nach ihrem Überleben“, der sollte auf Erschrecken treffen.
Man sollte meinen, wer Jugendlichen sagt: „Es geht darum, ob und wie du mit sechzig, siebzig Jahren leben wirst“, zumindest der sollte auf Erschrecken stoßen.
Man sollte meinen, all das hätte genug Kraft, einen gesellschaftlichen Wandel auszulösen.
Aber offenbar ist dem nicht so.
Obwohl die Zahlen für sich sprechen und obwohl die Gefahr so groß ist und obwohl wir heute eigentlich wissen, was unser Tun zur Folge haben wird, gab es noch keinen gesellschaftlichen Wandel, der eine Systemänderung ausgelöst hätte. Warum? Was machen wir falsch?
Ich glaube – und das erfahre ich auch leider oft genug, wenn ich mit Anderen rede – dass ein Grundproblem unsere kurzfristiges Denken ist. Und da ist es oft auch egal, ob das nun Menschen sind, die ich sehr schätze und an denen mir viel liegt oder ob es Fremde sind. Immer wieder besonders traurig machen mich Gespräche mit einer bestimmten sehr guten Freundin. Ich merke, dass sie weiß, was Klimawandel bedeutet. Aber sie verdrängt dieses Wissen lieber und sagt dann Dinge wie: „2100 bin ich sowieso tot.“ oder: „Und selbst wenn – was wäre denn so schlimm daran, wenn es keine Menschen mehr gäbe? Die Erde ist ohne uns eh viel besser dran.“
Beides mag vielleicht stimmen, vielleicht auch nicht, aber darum soll es jetzt auch gar nicht gehen. Denn wichtig für meine These ist nur, dass beide Aussagen Totschlagargumente sind, die man häufig hört, an die aber kein Mensch ernsthaft glauben kann. Niemand kann ernsthaft meinen, dass es gut ist, wenn die eigenen Kinder an den Folgen des Klimawandels sterben werden, weil „die Erde ohne uns eh viel besser dran ist.“
Ich möchte diese kurze Sicht nicht auf Bequemlichkeit schieben und resigniert sagen, es sei in den Menschen nun mal so veranlagt.
Denn erstens wäre das Bequemlichkeit von meiner Seite; die Menschen aufzugeben, heißt, vollkommen aufzugeben und das ist mir zu einfach und zu folgenreich.
Und zweitens stimmt das schlicht nicht – es gibt genug Menschen, die Weitsicht und Tiefblick beweisen. Ich denke an Felix Finkbeiner von der weltweiten Schülerinitiative Plant for the Planet und an alle Kinder und Jugendlichen, die zu Plant-for-the-Planet-Akademien fahren, im Namen der Initiative Bäume pflanzen oder Sponsorenläufe organisieren. Ich denke an die Österreicherin Sandra Krautwaschl, die seit einigen Jahren mit ihrer Familie ein plastikfreies Leben führt und darüber ein Buch geschrieben hat, das ich gelesen habe. Und ich denke an eine Abiturientin an meiner Schule, die vegan lebt und „Stop CO2-pitalism“-Sticker auf die Bühne in unserer Aula klebt.
Ich kenne noch so viel mehr Beispiele für Menschen egal welchen Alters, die ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Grenzen des Wachstums haben und alles dafür tun, dieses zu verbreiten, dass ich es schlichtweg falsch fände, zu behaupten, es läge in der Natur des Menschen, unangenehme Fakten zu verdrängen.
Und ich glaube, das ist der Schlüssel zu einem Systemwandel: das Bewusstsein zu schaffen. Denn wir leben in einer Demokratie und in einer Demokratie kann eine drastische Veränderung nur dann erfolgen, wenn ein Großteil der Bevölkerung dafür stimmt. Und logischerweise kann eine Gruppe von Menschen, eine Gesellschaft nur über etwas entscheiden, wenn sie tatsächlich darüber Bescheid weiß. Wenn sie sich bewusst ist, was das bedeutet: Klimawandel.
Man muss also das Wissen über die Folgen und die Gefahren des grenzenlosen Wachstums informieren.
Aber das kann nicht alles sein. Wenn wir nur allen erzählen, dass etwas schrecklich ist, dann schütteln die meisten Menschen wahrscheinlich kurz den Kopf. Ich bin mir sicher, dass sie im nächsten Moment so reagieren würden wie meine Freundin aus der Schule: „Was willst du denn tun? Und überhaupt – wenn du sagst, dass es unsere Schuld ist, dass alles kaputt geht, wäre es denn dann schlimm, wenn wir ausgelöscht würden?“
Der zweite Schritt muss folglich sein, den Menschen die Auswege zu präsentieren. Ihnen klar zu machen, dass Umwelt- bzw. Klimaschutz nicht bedeutet, dass wir alle wieder in Höhlen ziehen, sondern dass es zukunftsfähige Wirtschaftskonzepte gibt, die nicht allzu viel Umstellung bedeuten, die aber vieles zum Guten hin verändern könnten. Ich denke vor allem an die Ökosoziale Perspektive, die Franz Josef Radermacher, Mitglied beim Club of Rome, in seinem Buch „Welt mit Zukunft“ vorstellt. Diese sieht eine nachhaltige, auf schonendes Wachstum bedachte Marktwirtschaft vor, die berücksichtigt, dass unser Lebensraum begrenzt ist.
Denn wer weiß, dass es bereits gute, fertig gedachte und neue Systeme gibt, die nur noch umgesetzt werden müssen, der kann eigentlich nicht dagegen sein. Es ist nicht schwer, etwas Sinnvolles anzunehmen und es ist eigentlich auch nicht schwer, von solch Sinnvollem zu überzeugen.
Meine Schulfreundinnen und ich gehen in unseren Mittagspausen gerne und regelmäßig bei einem kleinen, sehr netten indischen Imbiss essen. Das Essen zum Mitnehmen ist immer in dünnwandigen, gefalteten Pappboxen verpackt, dazu gibt es Plastiklöffel. Vor einem Vierteljahr hat der Inder (so nennen wir Schüler den netten Mann, dem der Laden gehört) mal vorgeschlagen, dass wir uns doch auch unsere eigenen Tupperboxen und Löffel mitbringen könnten, das vermeide schließlich all den Müll. Nachdem ich mir dann am Ende einer Mittagspause mal angeguckt hatte, wie viel Pappe und Plastik wir da jede Woche einfach in die Abfalleimer werfen, habe ich ein schlechte Gewissen bekommen („Ich Möchtegern-Öko“, dachte ich) und dann den Rat des Inders befolgt.
Vorgestern hat dann eine Freundin auch eine eigene Dose mitgebracht.
Ihr war nämlich aufgefallen, dass ich seit ich meine Box mitbringe, größere Portionen bekomme… „Und du hast ja recht mit dem Müll.“ Und das, ohne dass ich irgendwelche Bekehrungsversuche unternommen hätte!
Sie hat einfach erkannt, dass ich keinerlei Aufwand, sondern sogar einen gewissen Vorteil habe, und hat, wie ich, die Beobachtung gemacht, dass wir tatsächlich für ziemlich viel Müll verantwortlich sind. Übrigens ist das ausgerechnet die Freundin mit den Totschlagargumenten.
Was ich damit sagen möchte, ist, dass man Menschen von der Sinnhaftigkeit einer Sache überzeugen kann, wenn man ihnen eine gut umsetzbare Alternative zeigt. Und wenn diese dann auch noch einen Vorteil für sie birgt, dann muss man eigentlich nichts mehr tun.
Wichtig ist folglich, die alternativen Wirtschaftssysteme allseits bekannt zu machen. Dann wäre es so leicht, einen Wandel zu bewirken und unser Überleben in Zukunft möglich zu machen.
Ich glaube, dass ein wichtiger und großer Schritt getan wäre, wenn in allen Schulen im Politikunterricht, in Wirtschaftskunde oder in einem anderen, ähnlichen Unterrichtsfach alternatives Wirtschaften gelehrt würde. Vielleicht wäre es sogar noch besser, wenn für einige Jahrgangsstufen ein Fach „Umwelt und Wirtschaft“ eingeführt würde.
Denn ich halte es für einen Skandal, dass der ersten Generation, die tatsächlich unter den Folgen der Grenzenlosigkeit leiden wird, Wissen über zukunftsfähige Alternativen vorenthalten wird. Vor allem wir jungen Leute, die Gesellschaft von morgen, könnten doch einen Wandel bewirken. Bald dürfen wir wählen gehen oder uns selbst zur Wahl stellen, bald werden wir selbst aktiv in das Geschehen in Wirtschaft und Politik eingreifen und wenn nicht einmal wir die Chance bekommen, unsere Zukunft zu retten, dann fehlen mir die Worte.
Denn natürlich können wir nur Dinge umsetzen, über die wir Bescheid wissen und welcher Ort könnte für unsere Bildung geeigneter sein als die Schulen? Ich plädiere hiermit an alle Kultusministerien: Gebt uns die Möglichkeit, zu erfahren, was wir tatsächlich wissen müssen!
Es kann nicht sein, dass wir nur vereinzelt und nur per Zufall andere Quellen finden, die uns alternativ informieren.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der Politik-und-Wirtschaft-Unterricht prägt, trotz einigen Unmuts und Desinteresses. Seit ich PoWi habe, also seit vier Jahren, hatten wir das Thema Marktwirtschaft, glaube ich, jährlich. Und jedes Mal lernten wir ausschließlich die herkömmlichen Marktmechanismen, hörten jedes Mal auf Fragen wie „Aber ist zu viel Konsum nicht schädlich?“ die gleiche Antwort: „Schon, aber ohne Konsum kann die Wirtschaft nicht wachsen.“ Und immer stand die Prämisse dahinter, dass wir es alle dem Wirtschaftswachstum zu verdanken haben, dass wir zuhause ein großes Auto haben, in einem schönen Haus wohnen und unsere Eltern gut verdienen. Also bloß keine Rückfragen.
Würde jemand heute, da er die Dinge kritischer sieht, anfangen, das Konzept des unendlichen Wachstum zu hinterfragen, so wäre ein allgemeines Aufstöhnen, so wäre Gelächter die Folge.
Hier haben die Lehrpläne, Schulbücher und Lehrer ganze Arbeit geleistet. Sie haben einen Großteil meiner Mitschüler erfolgreich marktradikal erzogen.
Aber nicht nur Schulen bilden. Auch journalistische Medien prägen die öffentliche Wahrnehmung eines Themas. Die großen, einschlägigen berichterstattenden Tageszeitungen und Nachrichtensendungen sollten sich der Verantwortung bewusst sein, die sie tragen. Ich finde es schlimm, wie sehr die Problematik der Klimakrise von den Massenmedien vernachlässigt und stattdessen so oft, ganz systemgetreu, das grenzenlose Wachstum nicht hinterfragt wird.
Hier wäre es sogar noch viel leichter, die Wahrnehmung zu verändern – ein Bericht in der tagesschau, ein Artikel in der Zeit oder ein informatives Feature im Radio. Man bräuchte ja bloß ein bisschen die Themenauswahl umzustellen.
In der neunten Klasse hieß unser Thema in PoWi „Mediendemokratie“, es ging also um den Einfluss, den Medien auf Entscheidungen in einer Demokratie haben. In diesem Zuge habe ich mich mit einem Klassenkameraden über die Objekitivität der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender unterhalten, wir waren uns vor allem darüber uneinig, ob denn die tagesschau neutral berichte. Er war der Meinung, dass sie das ganz sicher tue, während ich das gar nicht fand – ich erzählte ihm, wie mein Vater, der seit Jahrzehnten in verschiedenen Solarfirmen arbeitet, sich immer wieder ärgerte, dass nie mit auch nur einem Wort erwähnt wurde, wie viele Beschäftigte in dieser Branche entlassen werden mussten und wie viele Firmen schließen, weil die politische Lage so ungünstig für ihr Fortbestehen war. Am Abend zuvor allerdings hatte die tagesschau berichtet, dass RWE eine große Zahl Mitarbeiter hatte entlassen müssen. Man begründete das mit der Energiewende, unter der der Konzern zu leiden habe. Für meine Eltern und für mich ein Beispiel dafür, wie unsachlich die Berichterstattung auch bei etablierten Nachrichten- sendungen leider häufig ist.
Mein Mitschüler musste einlenken und war ziemlich negativ überrascht, das hätte er nicht gedacht. Wer würde auch vermuten, dass so viel dermaßen eingefärbt wird? Ich werfe Journalisten keinesfalls bösen Willen vor und gebe mir größte Mühe, nicht zu verallgemeinern. Mein Punkt ist, dass ich an vielen Stellen das Gefühl habe, dass journalistische Arbeit ihrem Anspruch nicht gerecht wird und nachlässig arbeitet – denn den guten Ruf haben sie sich ja schon verdient. Ich würde mir wünschen, dass vielfältiger, sorgfältiger und vielschichtiger gearbeitet wird. Die einschlägigen Medien bilden die Erwachsenenwelt. Auch hier muss die Kunde verbreitet werden, dass wir einen Systemwandel bitter nötig haben und dass der Ruf nach nachhaltigem Wirtschaften kein Gutmenschengeschwafel ist.
Denn so wichtig die Bildung der Jugend in diese Richtung ist, wir haben nicht genug Zeit, um abzuwarten, bis eine zum Wandel bereite, neue Erwachsenengeneration die Entscheidungen macht. Wir brauchen die drastische Veränderung so bald wie möglich und müssen darum eine Gesellschaft mit flächendeckendem Bewusstsein für die Grenzen des Wachstums werden, eigentlich sofort. Andernfalls sehe ich schwarz für meine eigene Zukunft und für das Leben meiner Kinder. Es ist so ernst. Diese Ernsthaftigkeit muss ankommen und da sehe ich die größten Chance in der Bildung.
Deshalb glaube ich, dass ein Verständnis der Begrenztheit und eine Langfristigkeit im Denken durch eine von Schule und Journalisten verbreitete Offenheit gegenüber neuen, sinnvollen Ideen einen tatsächlichen Wandel herbeiführen kann. Und muss, denn in unserer Demokratie hat die Bevölkerung einen nicht unerheblichen Anteil am Ausgang von großen Entscheidungsprozessen. Ich glaube an die Menschen und daran, dass sie sich für einen Wandel stark machen – wenn man ihnen die Chance gibt.
„Education is the most powerful weapon which you can use to change the world.“
– Nelson Mandela